Almut Quaas
Almut Quaas

Dr. Sabine Heilig Nördlingen

Februar 2009

Am Meer

„Am Meer“ – schon der Titel assoziiert eine sommerliche Urlaubssituation, obwohl diese Bilder keine Ferienstimmung aufkommen lassen. Ihnen fehlt dazu nicht nur der erzählerische Kontext, sondern auch der Eindruck von flirrendem Licht, heißer Luft, dem Duft von Sonnencreme und Schweiß, lachenden Kindern, Menschenstimmen usw., mit denen man eine solche Atmosphäre verbindet.
Eine Frau sitzt, steht, geht oder liegt allein am Strand. Häufig trägt sie Badesachen, manchmal kurze, sommerliche Kleidung, weitere Assessoires fehlen gänzlich (z.B. Sonnenschirm, Tasche, Badeutensilien usw.). Charakteristisch ist in diesen Bildern auch die beinahe durchgängig eingehaltene Rückenansicht der Figur, die nie von vorne (en face) gesehen wird.
In der Landschaft sind Vorder- und Hintergrund durch die Horizontlinie meist klar voneinander getrennt. In einigen Bildern verschwimmt die Augenlinie im malerischen Farbgestus zwischen Himmel und Erde in einer gemeinsamen Fläche. Der Duktus folgt in breiter, waagerechter Pinselführung dem landschaftlichen Ausschnitt und unterstreicht die schier unendliche Weite des Naturausschnitts.


Die Bilder Am Meer von 2007 Sie weist eine vergleichsweise bunte Farbigkeit auf: ein blau-weiß gestreiftes Kleid, ein rosafarbener Bikini, ein sonnengelbes Handtuch, eine flaschengrüne Wasseroberfläche. Trotz dieser farblichen Akzente bleibt die Grundstimmung verhalten, das Meer unergründlich, der Himmel leblos, regelrecht kulissenhaft. In den neuen Arbeiten zum Thema reduziert Almut Quaas sogar Farbe auf grisailleartige Abstufungen von Schwarz und Weiß.. In ihnen geben lediglich zarte farbliche Nuancen z.B. in der Kleidung der Figur Akzente.
Die Lichtführung dient dazu, den Körper der Figur im Bildraum zu festigen. In der älteren Serie hat Quaas noch mit Schlaglichtern gearbeitet, die ein Vorhandensein der Sonne assoziieren. In den Bildern mit den Grauabstufungen nimmt die Künstlerin das Naturlicht zunehmend zurück, auch wenn sie auf Schatten und Spiegelungen nicht gänzlich verzichtet.
In allen gezeigten Arbeiten von Almut Quaas herrscht eine eigentümliche Spannung. Sie resultiert aus der Unmittelbarkeit der Anschauung ihrer Motive (Nahaufnahme, Ausschnitt) und der unwirklichen Atmosphäre in der Natur, die uns dadurch fremd und übernatürlich erscheint. Beinahe wie hypnotisiert schreiten die Frauen auf das Meer zu oder halten in ihren Bewegungen fasziniert inne. Die Anziehungskraft der Natur hat in diesen Arbeiten etwas Magisches. Abstrakte Elemente wie der Traum oder die Vision sind darin lebendig und blenden sich als zweite Bedeutungsebene über das reale Landschaftsbild. Man kann bei den Bildern von Almut Quaas durchaus an die geheimnisvolle Bilderwelt der Surrealisten denken, eine Affinität, die auch ihre Farbästhetik hat (Bilder von Yves Tanguy, 1900-1955).
„Entscheidend ist die emotionale Unbestimmtheit oder Ambivalenz der Szene“, sagt Almut Quass, „halb Traum, halb wache Beobachtung, etwas Bedrohliches, das auch faszinierend, anziehend ist – wie die Naturgewalten fast immer. Die Bilder sind ein Wechselspiel zwischen Innen- und Außenperspektive“ (A.Q.: Zu meinen Strandbildern, im Brief an die Verfass., Januar 2009). Dies rückt ihr Werk wiederum in die Nähe romantischer Vorstellungen, wie wir sie aus der Kunst der deutschen Romantik am Ende des 18. Jahrhunderts kennen: Landschaft bedeutet da auch Seelenlandschaft.